frei Du hast jetzt schon etwa fünfzig Jahre auf der Welt und fast dreißig davon bereust du. Aber, wie kann das sein? Du bist immerhin in deinen Dreißigern zur Berühmtheit geworden. Du bist beliebt und wirst unter anderem auch dafür bewundert, dass du einen großen Teil deines Geldes an Kinderheime und ähnliche Organisationen spendest. Man munkelt, dass du nie eigene Kinder haben konntest und deswegen dich für Kinder einsetzt. Andere sagen jedoch, es liegt in deiner Vergangenheit. Immerhin bist du ein Scheidungskind, welches von beiden Eltern ignoriert wurde. Die Schauspielschule und auch die Stuntschule musstest du dir selbst erarbeiten und bezahlen. Und am Ende hast du es geschafft. Dein Name steht unter vielen großen Titeln und selbst einen Stern auf dem Walk of Fame kannst du dein eigen nennen. Aber dennoch bist du immer auf dem Teppich geblieben. Nur, du bist einsam. Es ist eine Einsamkeit, die keine Gesellschaft wirklich verschwinden lassen kann. Nicht durch Freunde, nicht durch Liebschaften. Denn vor fast 30 Jahren geschah etwas, dass dein Leben doch etwas zerrissen hat. Damals warst du mit deiner Freundin aus der Highschool zusammen. Ihr habt gearbeitet an euren Träumen und an eurer Zukunft. Aber irgendwas änderte sich. Sie wurde bei ihrer Arbeit rausgeworfen und du nahmst einen zweiten Job auf, um alles bezahlen zu können. Sie zog sich währenddessen immer weiter zurück und tauschte ihre Freunde gegen andere aus, die dir eindeutig nicht gefielen. Sie hatten mit Drogen zu tun, das konntest du sehen. Du wolltest sie zur Rede stellen, aber sie kam dir mit einem Schwangerschaftstest zuvor. Sie war schwanger! Du würdest Vater werden! Das war etwas, was du dir schon immer gewünscht hattest. Klar, es war nicht die beste Zeit, aber ihr würdet es schon hinbekommen. Immerhin versprach sie, ihre Freunde nicht mehr zu sehen und sich auf ihre Schwangerschaft zu konzentrieren. Doch kurz darauf fandest du sie im Bett mit einem anderen, einen dieser Freunde. Du machtest Schluss und kurz darauf war sie verschwunden. Kein Wort, wohin, kein Wort, mit wem. Einfach Weg. Du hast seitdem versucht, sie zu finden. Aber vergeblich. Ihre Eltern hatten auch nichts von ihr gehört und waren besorgt. Sie hatten sich so auf ein Enkelchen gefreut. Es brachte euch zusammen und so warst du auch der erste, der davon hörte, dass sie zurück war. Das war aber schon ein paar Jahre nach ihren Verschwinden und das Kind war nicht dabei. Sie gab zwar zu, das Kind bekommen zu haben, aber sagte nicht, was sie damit getan hatte oder wo sie gewesen war. Nur, dass es gesund war. Sie wäre auch gerade erst clean geworden, nachdem sie einen Unfall gebaut hatte und fast verurteilt geworden war. Für Jahre haben ihre Eltern und du sie bearbeitet. Inzwischen sind sie leider in einem Altersheim und leiden an Demenz. Aber wenigstens dir hat sie es endlich verraten. Sie hatte das Kind in einer Feuerwehrstation in Miami ausgesetzt. Da hast du natürlich sofort einen Privatdetektiv engagiert. Der konnte dich ein wenig weiterbringen. Aber er musste nach einiger Zeit aufhören. Dann hast du den nächsten eingestellt und dann den nächsten und so weiter, bis endlich einer wirklich etwas lieferte. Es waren nicht mehr nur irgendwelche möglichen Kinder, nein. Er hatte herausfinden können, wann das Kind auf die Welt gekommen war und hatte dann nach und nach alles herausfinden können. Dein Kind ist schon greifend nah!

vergeben Das ist er also, dein Sohn. Du hast schon Bilder von ihm gesehen. Immerhin beschattet der Privatdetektiv ihn noch. Ja, es ist vielleicht etwas übergriffig, aber du hast nicht gedacht, dass er deinen Sohn so schnell findest und hast im Voraus bezahlt. Außerdem kannst du dich noch nicht durchringen, bei ihm anzuklopfen. Du hast eben Angst, dass er dich nicht sehen will und dir die Tür vor der Nase wieder zu macht. Der Junge ist schließlich als Pflegekind groß geworden. Er wurde von einer Familie zur nächsten geschoben, als wäre er ein unbeliebtes Spielzeug. Seine Akte liest sich wie "Eine Reihe betrüblicher Ereignisse". Die einen wollten ihn erst, dann wieder nicht. Andere waren sehr schlecht zu ihm. Selbst den ein oder anderen Auszug von seinen medizinischen Daten hast du gesehen. Ein Armbruch hier, Masern da. Und mit 16 schon eine Brille, mit Gläsern, so dick, dass sie bestimmt alles andere, als leicht waren. Wenigstens hat er einen geregelten Job. Er ist der Gitarrentechniker von Death Valley Panics, einer Rock und Metalband, von der du nicht nur selbst gehört hast, sondern auch schon Konzerte besucht hast. Und außerhalb der Touren ist er ein Tutor und Lehrer für Geige und Gitarre. Dazu hat er auch noch einen Hund. Also scheint es ihm recht gutzugehen. Eine Sache ist dir aber noch nicht aufgefallen. Die Adresse, die dir dein Privatdetektiv gegeben hat, gehört zu einer Penthousewohnung mit zwei Etagen. Ihm gehört also ein Viertel der beiden oberen Etagen eines Hauses in Santa Monica. Er muss also doch etwas mehr Geld haben. Und woher das ganze? Naja, Gitarrentechniker ist nur sein offizieller Titel, damit sich niemand über ihn backstage wundert. Denn eigentlich ist er der Mann hinter der Maske von Darius Obscura, einem der Gitarristen von DVP. Er war mit 18 eingesprungen, als der alte Gitarrist rausgeworfen worden war, weil voll mit Drogen so einigen Scheiß angestellt hatte. Kannst du dir vermutlich nicht vorstellen, also, dass dein Sohn ebenfalls so berühmt ist, wie du - nur eben, ohne sein Gesicht zu zeigen. Aus den Unterlagen geht immerhin auch hervor, dass er eine Erkrankung hat, die ihm langsam das Augenlicht nimmt. Wie viel er noch hat, kannst du nicht sagen. Aber auf den Bilder sieht man auch immer wieder ihn mit Sonnenbrille und einen Blindenführhund. Also wird es nicht mehr viel sein, oder? Ein Grund mehr, warum er sauer auf dich sein könnte. Ach wenn du dich nur durchringen könntest, dich ihm vorzustellen.