reserviert für Lieblingsmichelle Du bist so schön. Wann hab ich dir das das letzte Mal gesagt? Hab’ ich es dir überhaupt schonmal gesagt? Ich weiß, an der Seite eines Stars, einer Ikone, der berühmten Dahlia Braidwood, fallen die Lichter nur selten auf dich. Und es hat dich nie gestört. Es hat dich nie gestört, wenn Fotografen und Fans meinen Namen schrien, es hat dich nie gestört, wenn man dich zur Seite schob um ein Foto mit mir zu bekommen. Die Welt weiß nichts über dich. Sie weiß nicht, dass du die beste Guacamole der Welt zubereitest, dass du schneller schwimmen kannst als irgendjemand sonst, den ich kenne. Sie weiß nicht wie schön du aussiehst, wenn du gerade aus der Dusche kommst, wie talentiert und klug du bist. Sie weiß nicht, dass du nach Zigaretten und Zitronenfrüchten riechst und dass mich dein Geruch genauso sehr an Heimat erinnert wie er mich in letzter Zeit verwirrt. Du hattest nie das Bedürfnis gesehen zu werden, witzelst gerne, dass dein Ego kein Blitzlichtgewitter braucht um angetrieben zu werden wie Frankensteins Monster, aber du siehst andere. Du siehst und liest sie wie ein offenes Buch, fotografierst und malst sie in das kleine Skizzenheftchen, das du immerzu mit dir führst. Du erkennst ihre wahren Gesichter hinter Botox und Makeup - und du hast mich gesehen. Du hast mich gesehen, als ich damals auf der Straße in deinen Bruder hineingelaufen bin (und Witze darüber gemacht wie wahnsinnig klischehaft das gewirkt hat), du hast mich gesehen als ich von der glücklichsten Frau der Welt zu einem Ding geworden bin, das mit schlecht zusammengenähten Fäden heute irgendwie versucht nicht auseinander zu bröseln. Du hast mich immer besser gekannt als irgendjemand sonst, vielleicht sogar besser als Henry, vielleicht, ja, vielleicht sogar besser als du dir eingestehen wolltest. Du konntest dich ja schließlich nicht in die Frau deines älteren Bruders verlieben, oder? Die Frau, die seit einem schrecklichen Schicksalsschlag nicht mehr sie selbst zu sein scheint. Die Frau, die hinter geschlossenen Türen kratzt und wütet wie ein verletztes Tier, die deinen geliebten Bruder gebrochen und verwundet einfach zurückgelassen hat als er sie am dringendsten gebraucht hätte, die du seit dem verregneten Nachmittag in London an Henry’s Seite immer schon ein kleines bisschen länger angesehen hast als du es hättest tun sollen. Entgegen aller Erwartungen scheinst du die Einzige geblieben zu sein, die noch ansatzweise an mich herankommt, meine beste Freundin, obwohl du hin und hergerissen bist zwischen deinem Bruder und mir, obwohl mein vermeintlich grausames, selbstsüchtiges Verhalten ihm die Tränen in die Augen treibt, obwohl es dir die Tränen in die Augen treibt, zusehen zu müssen, wie ich mich immer mehr selbst verliere. Dir. Denn was ist mit dir, Victoria? Hast du es nicht langsam satt, dass es immer nur um andere geht, dass es immer nur um mich geht? Du hast auch ein Leben. Du bist verflucht nochmal zu intelligent, zu witzig, zu talentiert um bloß die eindimensionale beste Freundin der Hauptdarstellerin in einem scheiß Blockbuster zu bleiben. Und kannst du trotz des Schleiers der letzten Monate immer noch erkennen, dass nicht ich es bin, die unser aller Leben in einen Scherbenhaufen verwandeln will?

vergeben Ich bin Dahlia Braidwood. Schauspielerin, Stilikone, Oscarnominierte - und ein selbstsüchtiges Miststück. Zumindest würden das die Zeitungen schreiben, wären meine Familie und du nicht so fleißig damit beschäftigt das Chaos zu beseitigen das ich hinterlasse. Hollywood produziert oft genug Filme in denen die Hauptdarstellerin immer ach so perfekt, selbstlos und wunderschön erscheint. Das ist es, was die Leute sehen wollen, das ist es, was sie über uns denken wollen, doch du weißt es besser. Menschen sind nicht eindimensional und das Leben kann so hässlich und schmutzig sein, das es auf jedem von uns Spuren hinterlässt. Aber was wäre ich für eine Schauspielerin wenn ich die meinen nicht verbergen könnte? Ich schlüpfe gerne in Rollen. Genau in diesem Augenblick bin ich die Durchtriebene, morgen werde ich die Furchtlose sein, schon in wenigen Minuten die Freiheitsliebende, die sich sorgenlos auf einer Yacht auf Ibiza fotografieren lässt, ihr strahlendes, unbeschwertes Lächeln in die Kamera gerichtet. Vielleicht hebe ich ertappt meine Hand an meine Lippen wenn mir klar wird, dass der Mann an meiner Seite nicht mein Ehemann ist und es in wenigen Stunden die ganze Welt sehen wird. Doch du du weißt, dass das nicht ich bin. Du weißt, dass nur er es sehen soll, dass er es glauben soll, ebenso gut wie du weißt, dass ich weder furchtlos noch glücklich bin. Du weißt, dass ich deinen Bruder immer noch liebe, obwohl ich ihm die Scheidungspapiere lieblos vor die Füße geknallt habe, du weißt, dass ich ein verdammter Angsthase bin, aber auch, dass mein, nein, unser Verlust zu groß ist um ihn die echte Dahlia Braidwood ertragen zu lassen. Was du nicht weißt, ist, dass mein Herz die letzten Wochen jedes Mal ein kleines bisschen schneller schlägt wenn dein Atem meine Haut berührt, dass die Zigarette, die du mir reichst um einen Zug davon zu nehmen, nach Zitronen und Behaglichkeit schmeckt. Und ich? Ich weiß nur, dass mich die Gefühle, die du in mir auslöst, überrennen und verwirren, oder glaube es zu wissen, denn am Ende des Tages, wenn ich deine weichen, vollen Lippen anstarre oder du mich nach einer weiteren durchzechten Nacht mit zu viel Alkohol und Kokain in’s Bett legst und dich schützend an mich kuschelst bis ich einschlafe, mir die Tränen von der Wange streichst, auch an ihn denke und daran wie sehr ich ihn vermisse. Dass ich mich nach Zärtlichkeit und körperlicher Nähe sehne, abseits der Kameras, die in Wahrheit nur er mir gegeben hat und dass ich jeden Tag ohne ihn mehr damit hadere, selbst das Kostbarste das du und ich haben, benutzen und zerstören zu wollen, nur um mich ihm, deinem Bruder, wieder näher zu fühlen. Dass ich Eifersucht empfinde, wenn du mir lächelnd von deiner Nacht mit einer Frau aus dem Club erzählst, Ärger, wenn Bedauern und Sorge in deinen Augen aufblitzen und Wut, schreckliche Wut, wenn du Henry’s Namen aussprichst. Ich will seinen Schmerz nicht, ich will euren Schmerz nicht, wenn ich meinen eigenen schon nicht ertrage.